Schule in Äthiopien

Das äthiopische Schul- und Berufsbildungssystem ist noch vergleichsweise jung. Erst in den 1970er Jahren hat der äthiopische Staat begonnen ein öffentlich zugängliches, einheitliches und egalitäres Schul- und Berufsausbildungswesen aufzubauen. Zuvor war ein staatliches Schulwesen im eigentlichen Sinne nicht oder nur in Ansätzen vorhanden. Auch ein organisiertes und strukturiertes berufliches (Aus-)bildungssystem gab es nicht. Eine allgemeine Schulpflicht oder ein bürgerliches Recht auf Bildung existierten nicht. Bildung, Curricula und die wenigen vorhandenen Bildungseinrichtungen lagen in kirchlicher oder – seltener – in privater Hand. Folge davon waren interessengeleitete, spezialisierte Bildungscurricula und extrem ungleiche Bildungschancen. Ausschließlich die Eliten aus äthiopisch-orthodoxem Klerus und Adel, insbesondere in den größeren städtischen Zentren, hatten Zugang zu Bildung oder konnten sich überhaupt Bildung leisten.

Noch bis weit in die 1960er Jahre existierten landesweit nur zwischen 300 und 400 Primarschulen, nur etwa ein Dutzend Sekundarschulen und drei höhere Bildungseinrichtungen mit akademischer Ausrichtung, die insgesamt nur ca. 50 bis 60 Tsd. Schüler und Studenten ausbildeten. Konsequenz hieraus war eine auch im innerafrikanischen Vergleich sehr hohe Analphabetenrate. Vor 1970 konnten über 90 Prozent der äthiopischen Bevölkerung über 15 Jahren weder Lesen noch Schreiben (Stand 2015: 51%). Heute hat Äthiopien ein in seiner Struktur modernes Schul- und Berufsbildungssystem installiert, das in der Fläche jedoch noch nicht hinreichend ausgebaut, finanziert und leistungsfähig ist. Immer noch sind Bildungsmöglichkeiten und -chancen durch ein starkes Stadt-Land-Gefälle gekennzeichnet und weiterhin sind die materiellen und sozialen Ressourcen der Familien ein die Bildungschancen und den Bildungszugang wesentlich bestimmender Faktor.

Die allgemeinbildende Schulbildung in Äthiopien heute dauert idealtypisch zehn Jahre und umfasst acht Jahre „Grundschulzeit“ (Primary School) und zwei Jahre „Mittelschule“ (Secondary School). Eine allgemeine Schulpflicht gilt jedoch nur von Klasse 1 bis 8 (Primary School) und der Schulbesuch an staatlichen Einrichtungen ist kostenlos. Allerdings wird die Einhaltung der Schulpflicht nicht konsequent durchgesetzt. Landesweit besuchen nur 65,2% aller schulpflichtigen Kinder eine Primary School und nur 15,2% eine Secondary School (Stand 2014). Trotz allgemeiner Schulpflicht und kostenloser staatlicher Schulen sind die materiellen und infrastrukturellen Hürden für einen Schulbesuch weiterhin hoch: lange Schulwege, die Anschaffung obligatorischer Schuluniformen/Schulkleidung und von Lehr- und Unterrichtsmaterialen sowie üblicherweise keine unentgeltliche Schulspeisung belasten insbesondere die Ärmsten, zumal diese sowohl in den Städten als auch und insbesondere im ländlichen Raum oftmals auf ihre (mit)arbeitenden Kinder angewiesen sind, um ihre Existenz zu sichern. Nur knapp die Hälfte der Kinder der einkommensschwächsten Bevölkerungsmehrheit besucht eine Primary School und nur 5 Prozent eine Secondary School. In Addis Abeba selbst ist die Situation vergleichsweise besser, besuchen doch fast 100% aller schulpflichtigen Kinder zumindest die Primary School bis Klasse 8 und immerhin noch 70% ebenfalls die Klassen 9 und 10 der Secondary School.

Die Einschulung in die „Grundschule“ (Primary School) erfolgt im Alter von 6-7 Jahren und ist in zwei Phasen gegliedert: Die erste Phase geht bis Klassenstufe 4 (vergleichbar der deutschen Grundschule). Daran schließt sich mit dem Übergang in Klasse 5 die obligatorisch zweite „Grundschulphase“ (bis Klasse 8) an. Diese wird mit der »Primary School Regional Examination« abgeschlossen (vergleichbar dem deutschen „Hauptschulabschluss“) und befähigt/berechtigt zum Übergang in die Mittel-/Oberschule (Secondary School).

Die zweijährige Mittelstufe (Secondary School, Klassen 9 und 10) wird mit einer nationalen Prüfung, der »10th Grade National Examination« und dem Erwerb des »Ethiopian General Secondary Education Certificate« abgeschlossen (vergleichbar etwa der „mittleren Reife“ / dem deutschen Realschulabschluss). Mit Bestehen dieser Prüfung bieten sich den Absolventen zwei bildungscurriculare Optionen: Sie können sich entweder für die zweijährige allgemeinbildende Oberstufe (vergleichbar der deutschen gymnasialen Oberstufe) oder für eine „berufsschulische Ausbildung“ (ansatzweise vergleichbar mit und angelehnt an das Modell der dualen Berufsausbildung in Deutschland) entscheiden.

Die Oberstufe umfasst die Klassenstufen 11 und 12 der Secondary School und soll auf ein (akademisches) Hochschulstudium vorbereiten. In der Oberstufe können die Schülerinnen und Schüler zwischen einem naturwissenschaftlichen oder einem „literarischen“ (humanistisch-sozialwissenschaftlichen) Zweig wählen. Am Ende der 12. Klasse steht die »Ethiopian Higher Education Entrance Examination« (vergleichbar dem deutschen Abitur).

Die „berufsschulische Ausbildung“, genannt »National Technical & Vocational Education & Trainig (TVET)« erfolgt an Berufsfach- oder an Technikerschulen und ist ansatzweise vergleichbar mit und angelehnt an das Modell der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Die Schüler-Auszubildenden durchlaufen aufeinander aufbauend fünf Ausbildungsstufen, in deren Verlauf praktisch-technische Fertigkeiten gelernt und geübt und theoretische Grundlagen vermittelt werden, wobei die Schwerpunkte im praktisch-technischen Bereich gesetzt sind. In der Regel dauert die „berufsschulische Ausbildung“ an den TVET-Colleges drei bis dreieinhalb Jahre aufgeteilt und 5 sogenannte Module -, jedoch können die „Berufsschüler“ die TVET-Ausbildung grundsätzlich nach jedem Modulabschluss verlassen und gegebenenfalls eine entsprechende berufliche Tätigkeit aufnehmen. Obwohl dieser Bildungsgang hauptsächlich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, ist mit dem berufsfachschulischen »Diploma« (nach Modul 5), entsprechende Leistungen und Motivation vorausgesetzt, auch der Zugang zu einem (akademischen) Bachelor- und anschließendem Masterstudim möglich.

Das Universitätsstudium ist zweistufig. Das Bachelorstudium beginnt mit einem sogenannten „Freshman Year“, in dem Studierende auf das nachfolgende akademische Studium vorbereitet werden. Die Regelstudienzeit des Bachelors beträgt normalerweise vier Jahre. Der Bachelor-Abschluss befähigt zum Übergang in das wissenschaftliche Masterstudium, das in der Regel nach zwei Studienjahren und einer Abschlussarbeit (Thesis) mit dem Master-Abschluss beendet werden soll.


Quellen:

Informationsportal für ausländische berufsqualifikationen, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.

Education Policy and Data Center, Washington, USA

United Nations Children’s Fund (UNICEF)

Technical and Vocational Education and Training in Ethiopia. Pramila Krishnan, Irina Shaorshadze (2013), London School of Economics and Political Science, International Growth Centre – Ethiopia Country Programme.

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel
Education in Ethiopia
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